Reisen und leben, Heft 17 / 1988

Gisela Rüß:

Emanuel von Korff - ein preußischer Offizier auf Reisen - Weltreisetagebuch 1893 - 1901

Daß preußische Offiziere gern reisten und darüber interessante Berichte schrieben, weiß man spätestens, wenn man Helmuth von Moltke gelesen hat. Doch wenn ich Reisefachleute und Antiquare frage, erfahre ich in der Regel nur ein Schulterzucken: Emanuel von Korff? Nie gehört. Ich kam auch nur durch einen Zufall auf ihn. Nach einer USA-Reise schenkten mir Freunde ein kleines unscheinbares Bändchen: Korff's Weltreise Amerika 1893. Ich las es mit größtem Vergnügen. Und damit wäre die Geschichte eigentlich auch schon zu Ende, wenn nicht, ja wenn nicht auf dem Titelblatt ein Zusatz gewesen wäre: Band I. Vielleicht können Sie sich vorstellen, wie bei einer solchen Notiz das Jagdfieber in einem aufsteigen kann. Mittlerweile weiß ich, daß es drei Ausgaben gibt: Die erste mit zehn Bänden, eine zweite im gleichen Format, nur unnummeriert, und eine sogenannte Luxusausgabe im etwas größeren Format mit Goldschnitt, durch eine andere Aufteilung mit insgesamt elf Bänden. Alles ohne Verlag als Manuskript und ohne Abbildungen im Deutschen Druck- und Verlagshaus Berlin gedruckt. Und natürlich alle Einbände im "Baedeker-Rot".

Noch schwieriger als eine Ausgabe komplett zu bekommen, ist es, etwas über diesen Emanuel von Korff herauszufinden: Er wird am 31, Mai 1826 in Schoenbruch als zweiter von drei Söhnen geboren. Er wird im Kadettenkorps zu Culm und Berlin "erzogen", tritt 1844 als Fähnrich in das 2. Dragoner-Regiment ein und wird 1847 zum Offizier befördert. Höhepunkt seiner Laufbahn ist wohl 1875 die Ernennung zum Kommandeur des Schleswig-Holsteinischen Ulanen-Regiment Nr. 15 in Straßburg. Im Februar 1880 wird er mit Pension und der Erlaubnis zum Tragen der Regimentsuniform zur Disposition gestellt und erhält im Mai 1894 den Charakter eines Generalmajors. Eine normale militärische Karriere, soweit ich das beurteilen kann. Seine finanziellen Möglichkeiten scheinen aber überdurchschnittlich zu sein.

Sein Tagebuch beginnt mit seiner ersten Weltreise 1893, als er mit 67 Jahren zum ersten Mal nach Amerika fährt. Doch das ist wahrlich nicht seine erste Reise: Da sind zehn Sommerreisen durch Rußland von Abo bis Tiflis, von Thorn bis zum Baikalsee, fünfmal bis zum Nordkap, sechsmal durch Spanien und 14 große Reisen durch den Orient, er zog mit einer Karawane in Marokko von Sebu bis Orleansville, war dabei 14-mal in Afrika, durchkreuzte zu Eseln und zu Pferde Algerien, hat meist mehrmonatige Reisen von Madaor am Atlantischen Ozean bis zum Roten Meer hinter sich, war zwei Wochen bei den Ausgrabungen von Schliemann. Er fuhr, ehe die Eisenbahn fertig wurde, 14-mal von Berlin nach Königsberg. "Man fuhr donnerstags 4 Uhr nachmittags von der Königsstraße in Berlin ab und kam Sonntag vormittag 11 Uhr in Königsberg an."

Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß ein Teil seiner Auslandsreisen dienstlich bedingt ist. er verliert darüber jedoch kein Wort. Warum ist er z.B. in den siebziger Jahren längere Zeit am Hofe von Montenegro? Er erhält dort den Montenegrischen Danilo-Orden, was ihm beim Kaiser, der diesen Orden noch nicht hat, in Schwierigkeiten bringt.

Nun bin ich schon mitten in seinen Tagebüchern, ohne etwas über den Aufbau gesagt zu haben: Im Mai 1893 bricht also Korff zu seiner ersten Weltreise auf. Schon mit der Absicht, seine Manuskripte drucken zu lassen, schickt er sie nach Hause und erhält - noch während er in Ägypten weilt - die ersten Bände. Die erste Weltreise führt ihn quer durch Nordamerika, Japan, China, Indien, Ägypten und Griechenland. Der erste Afrika-Band, der folgt, bringt Erinnerungen früherer Reisen. Erst der zweite Afrika-Band beschreibt wieder eine aktuelle Reise 1895 in den Süden Afrikas - leider nicht mehr in Tagebuchform - von dort aus nach Australien, Neuseeland und Südamerika. Beim Teil Südamerika kommen mir manchmal Bedenken, ob er dort überhaupt gewesen ist, zu wenig von seinen subjektiven Eindrücken wird deutlich. Kaum aus Südamerika zurück, fährt er im Juli 1896 nach Spitzbergen. nach langen historischen Ausführungen findet er wieder zum Tagebuchstil der ersten Bände. Lange hält es ihn nie in Berlin. Von Spitzbergen zurückgekehrt fährt er "über Nürnberg, Baden-Baden, Genf, den Simplon nach Mailand - und dann über den Gotthard, München nach Berlin zurück." Im Juli 1899 startet er zu seiner dritten Weltreise, für die er ein dreiviertel Jahr veranschlagt, doch sein Bericht endet nach zwei Monaten in Honolulu; ob er weiter nach Japan gefahren ist, bleibt offen. Sein letzter Reisebericht über eine Reise nach Rußland beginnt im April 1901.

Wie reiste Korff? Bei seiner ersten Weltreise entschließt er sich zu einer Gesellschaftsreise. In New York treffen sie eine größere Stangensche Reisegesellschaft und machen ihr ihren Führer Stangen "abspenstig, um den Zug nach dem Westen mit größerem Agrément machen zu können".

Wie hat Korff ausgesehen? Groß könnte er gewesen sein, obwohl ich entsprechende Bestimmungen der preußischen Armee nicht kenne. Daß er nicht gerade unter Untergewicht litt, weiß man aus seinem japanischen Tagebuch: "Jedesmal, wenn wir vor die Thür treten, um in die Wägelchen zu steigen, und ich gehe nach einer Richtung hin, drehen sich die Leute um und thun so, als wären sie wichtig mit was Anderem beschäftigt. Setze ich mich aber gleich in einen Wagen rein, entsteht in Jubel der Anderen, die ihren Kameraden auslachen, da er einen so schweren Mann zum Fortschaffen bekommen hat."

Was ist es, was mich so am größten Teil seiner Tagebücher fasziniert? Sicherlich auch der Berliner Humor, mit dem er leicht distanziert ironisch, manchmal auch sarkastisch seine Reisen beschreibt. Ständig hat er Schwierigkeiten, seine Wäsche gewaschen zu bekommen. Einmal engagiert er einen Privatdetektiv, "der sich in der Nacht 2 Uhr aufmachte und mir um 7 Uhr den größten Teil meiner ungewaschenen Wäsche brachte, die ich in Bündeln mitzunehmen gezwungen war." Es sind aber auch seine Hotel- und Stadtbeschreibungen, das Entsetzen, das ihn bei manchem Verhalten in Amerika ergreift, das ihn auf der anderen Seite auch wieder fasziniert. Auch aus seinen politischen Vorstellungen macht er keinen Hehl. Doch man kann auch erfahren, wie Zugfahrten aussehen und was manches kostet. Er äußert Befürchtungen für die Zukunft, die sich später als nicht unberechtigt erweisen. Wer sich für Pferde und Soldaten interessiert, kommt auf seine Kosten, schließlich war er immer bei der Kavallerie. Ich glaube, es wird deutlich, daß ich jetzt stundenlang über Einzelheiten berichten könnte. So ist es mir schon in Freiburg schwer gefallen, mein eigentliches Manuskript auf 45 Minuten zu kürzen. Das Ganze jetzt auf fünf Seiten zusammenzufassen, ist eigentlich unmöglich. Doch der Verlag Edition Temmen in Bremen plant in der Sammlung denkwürdiger Reisen den Nachdruck auch von Korff 'schen Reisen mit einem entsprechenden Nachwort.

Was nahm Korff an Gepäck mit? Einen Schiffsstuhl (was immer auch das sein mag) hat er immer dabei. Was sein Gepäck aushalten mußte, schreibt er, als er von Japan weiterreist:

"Alles ist feucht und stockig. Die Tintenflasche und doppelkohlensaueres Natron haben sich im Koffer verteilt. Zwei Blechkasten hat die amerikanische Behandlung in ihre Primfaktoren aufgelöst. Die stolzen Koffer sehen nur noch wie traurige Behältnisse aus. Der Schiffsstuhl mußte neu geleimt werden. Auf meinem Hut muß jemand von San Franzisko bis Yokohama gesessen haben. Ein Regenschirm ist nur noch ein mißverstandener Gedanke! Weißseidene Taschentücher werden ja überall, hier aber ganz besonders gestohlen. Handschuhe sind so verstockt, daß man sie wohl noch anziehen kann, aber dabei keine Freude mehr an ihnen hat."

Das Essen in Amerika bringt ihn zur Verzweiflung: "Der Neger erscheint um 7 Uhr mit der Speisenkarte. Er will durchaus, man soll mit Melonen und Hafergrütze beginnen und ungezählte Schälchen Marmeladen, dann Eisthee, Schweinskoteletten, Eier, frische Maulbeeren und gefrorenen Sherry Brandy verschlucken. Wer den Gedanken hätte, so was am frühen Morgen 7 Uhr als Breakfast bei uns zu verlangen, dem würde man einen Tierarzt zur Beobachtung schicken...."

Die amerikanische Polizei paßt auch nicht in seine europäische Vorstellungswelt: "Die Konstables...sind höflich und zeigen sich dem Publikum hilfreich, wenn aber ihre Autorität von einem Rowdy, Dieb oder Trunkenbold angezweifelt wird, sieht man den Genannten mit seinem Hickoryknüppel im Lande der Freiheit auf die Schädel einhauen, daß man denkt, jeder Hieb sei ein Totschlag erster Güte." Häufig empfiehlt er Bebel, sich diese freie Welt anzusehen: "Der Amerikaner nennt das Freiheit, wir aber Mangel an Bildung. Es ist für uns das Ungewohnte, Fremde oft unbequem und stößt uns ab, trotzdem wir unendlich Vieles in diesem Riesenland anstaunen müssen und die Bewunderung und Anerkennung nicht zurückhalten dürfen, ohne ungerecht zu sein."

Was brachte sich Korff als Souvenirs mit? Im Himalaya kauft er ein Schneehirschgeweih und eine "Kiste Thee", in Japan eine komplette mittelalterliche, bronzene Rüstung mit Waffen eines alten Zweischwertermannes.

Wenn Sie noch wissen wollen, warum er eine "Elefantenbahn" in Afrika für das vernünftigste Beförderungsmittel hält, wenn Sie die Beschreibung des Straßenbildes in Kanton, Singapur und Jaipur, eine Theatervorstellung in Chinatown in San Franzisko, Bakschisch an den Pyramiden in Ägypten, Banditen in Griechenland, Hotels und Expeditionen in Afrika oder militärische Aufmärsche im Emirat Bochara, in Hot Springs und in Kanton interessieren, dann müssen Sie Korff selber lesen. Dann können sie auch erfahren, wie er beim Kauf eines Krokodils auch eine Sklavin erwirbt, sowohl als Goldgräber in Australien als auch bei dem Versuch scheitert, in Skandinavien einen Gletscher zu überqueren.

Korff stirbt am 5. Februar 1903 in Roennebeck in der Altmark auf dem Gut einer befreundeten Familie an Herzlähmung und wird auch da im Mausoleum zu Roennebeck beigesetzt. In der neuen Preußischen Zeitung (genannt Kreuzzeitung) erscheinen Anzeigen der vier Regimenter, in denen er gedient hat. Die Vossische Zeitung druckt seinen militärischen Werdegang. Doch keine Zeitung erwähnt seine reiseschriftstellerischen Leistungen.

Gisela Rüß: Emanuel von Korff - ein preußischer Offizier auf Reisen - Weltreisetagebuch 1893 - 1901
In "Reisen und leben" Heft 17, S. 12-15.
(Holzminden: Ursula Hinrichsen; 1988)
ISBN 3-922293-17-4


Bilder vom FremdenverkehrTable of contentsStammbaum Familie Baedeker

Reproduced by kind permission of Alex W. Hinrichsen. All copyrights acknowledged.

© 2004-15 bdkr.com  

bdkr.com P.O.Box 119 Cranbrook Kent TN18 5WB United Kingdom